Keine Wahl

Von Hamdi Hassan · · 2024/Mar-Apr
Gedanken von Welt

Österreich hat ein exklusives Wahl- und Bildungssystem. Exklusiv, wie das Gegenteil von inklusiv.

Immer wieder werde ich vor anstehenden Wahlen in Österreich gefragt, was ich mir davon erwarte. Ehrlich? Nichts. Ich habe keine österreichische Staatsbürgerschaft, wie die allermeisten Afrikaner:innen hier – wir dürfen nicht wählen.

Und wenn ausländische Staatsbürger:innen wählen dürften, würde es nichts daran ändern, dass wir hier generell nicht gerne gesehen werden.

Wenn ich in Nachrichten das Wort „Migranten“ lese, geht es ziemlich sicher dabei um Negatives – in Kommentaren von Nutzer:innen sowieso. Das tut weh. Also ist es für mich und viele andere Menschen mit Migrationshintergrund leichter zu versuchen, die negative Grundhaltung vieler im Land zu ignorieren.

Neulich hat mich aber mein zwölfjähriger Sohn gefragt, warum die Eltern seines Freundes wählen dürfen und ich nicht. Ich erklärte ihm, dass ich für die dafür nötige Staatsbürgerschaft noch nicht lange genug im Land wäre und sie viel Geld koste. 

In Somalia hatte ich auch keine Wahl. Da bisher – jetzt soll eine Reform kommen – nur die 275 Parlamentarier:innen bestimmen konnten. Die allermeisten gehören einem von vier Clans an und regieren das Land de facto nach ihren Interessen.

Als ich als Journalistin hierher kam, hatte ich große Erwartungen. Bald wurde mir klar, dass mein Uniabschluss nicht anerkannt werden wird. Ich wurde zum Deutschkurs geschickt. Auf meine Frage, ob ich eine Chance hätte in die Schule zu gehen bzw. eine Studienberechtigungsprüfung zu machen, bekam ich zu hören: „Wieso denn, Sie sind doch weit über das schulpflichtige Alter hinaus?“.

Ich habe meinen Weg hier dennoch gemacht und bin zufrieden. Mit meiner Muttersprache Somali trage ich als Übersetzerin für NGOs zur Verständigung von Migrant:innen bei. Diese Institutionen anerkennen zumindest den Sprachschatz, den wir als solche mitbringen – im Gegensatz zu vielen konservativen und rechten Politiker:innen, die uns weghaben wollen.

Und ich frage mich manchmal schmunzelnd: Wer sollte denn Somali-Deutsch übersetzen, wenn nicht Leute wie ich? Ich zumindest kenne nur eine einzige Österreicherin, eine Professorin, die meine Sprache kann, und die hat schon einen Job an der Universität.

Hamdi Hassan ist freie Journalistin sowie Dolmetscherin/Übersetzerin bei verschiedenen Organisationen. Sie kommt aus Somalia und lebt seit 2015 in Österreich.

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